Anthroposophie - Christengemeinschaft
aus: "Sieben Sekten Elberfeld"
Neben der Schrift
Wird in diesem Heft auch die Anthroposophie aufgeführt, ist es wie bei anderen Richtungen die Frage, ob es sachgemäß ist, sie noch im Bereich christlicher Sekten aufzuführen, da sie einerseits »Wissenschaft" (nicht aber Religion) sein möchte, da aber andererseits beispielsweise der Islam dem biblischen Jesusbild einen größeren Raum beimißt, als es der Anthroposophie möglich ist. Es ist jedoch die Wirkungsfläche der Anthroposophie im Bereich unserer deutschen Volkskirchen wie auch besonders der englischsprachigen Länder so erheblich (vor allem durch ihre Tochtereinrichtung -Christengemeinschaft"), daß sie erwähnt werden soll. - Die Anthroposophie (Weisheit von Menschen) ist eine Schöpfung
Rudolf Steiner`s (geb. 1861 in Kroatien, gest. 1925 in Dornach bei Basel). Von Hause aus katholisch, übernahm Steiner, beeinflußt durch seine Beschäftigung mit Goethe (besonders dessen naturwissenschaftlichen Schriften), sowie den indischen Religionen, aber auch mit der „Exakten Naturwissenschaft' (besonders Darwin und Haeckel), ab 1902 die deutsche Sektion der „Theosophischen Gesellschaft", bis er 1913 die „Allgemeine anthroposophische Gesellschaft" gründete, die in dem „Goetheanum" zu Dornach, einer »Freien Hochschule für Geisteswissenschaft", ihr Zentrum erhielt. So stellt die Anthroposophie eine Mischung dar von Theosophie, Gnostizismus, Mystik, spekulativem Idealismus, Goethe und Hegel bis hin zu Darwin und Haeckel. Christus, von Steiner unter Haeckels Einfluß zunächst auch formal abgelehnt, wurde später wenigstens als "Impuls" in das System eingebaut.
Die Anthroposophie gibt vor, Erkenntnisweg zu sein, der das Geistige im Menschenwesen zu dem Geistigen im Weltall in ein Verhältnis setzen will. Sie ist dabei mehr Lebensanschauung und Lebenshaltung denn Weltanschauung und versteht sich unter Betonung der übersinnlichen Seite der Wirklichkeit als Spitze gegen den Materialismus unter gleichzeitigem Ausbau einer Erkenntnistheorie (im Gegensatz zur neukantianischen Philosophie). Mithilfe der Meditation hält der „Hellseher" Steiner geistige Wirklichkeiten für erkennbar. Das „neue Bewußtsein" schafft neue Geistesorgane („Lotosblumen"). Da alle Ereignisse im Weltall eine Spur hinterlassen, kann der „Hellseher" durch die „Lotosblumen" selbst längst gewesene Weltereignisse wie in einem Buche nachlesen (genannt: das Lesen in der „Akasha-Chronik").
Vergangene, aber auch künftige Dinge behauptet der „Hellseher" auf diese Weise mitteilen zu können. So befinde sich am Anfang aller kosmischen Entwicklung das Rein Geistige.
Die Entwicklung des Kosmos verläuft in sieben Stadien vom Geistigen durch das Tal des Stofflichen zum Geistigen zurück.
Hinsichtlich der sieben Stadien (1. Saturn, 2. Sonne, 3. Mond, 4. Erde, 5. Jupiter, 6. Venus, 7. Vulkan) ist die Gegenwart durch das 4. Stadium gekennzeichnet. In Entsprechung dazu befindet sich der Mensch, der ja das Weltall im Kleinen, einen Mikrokosmos, darstellt, hinsichtlich seiner sieben Stadien (
1. Physischer Leib,
2. Äther- oder Lebensleib,
3. Astral- oder Seelenleib,
4. Ich- Leib,
5. Geistselbst,
6. Lebensgeist,
7. Geistesmensch) im 4. Menschheitsstadium (dem „IchLeib"), - doch deute sich bereits die Rückfindung zum Geistigen an, deren Schlußstadium der „Geistesmensch" darstelle. Aber durch das Vorhandensein des „Karma" (altindisches Sanskrit:
Fleisch) im Menschen ist eine direkte Entwicklung nicht möglich, vielmehr seien - auch hier indisches Denken - nach dem Sterben Wiederverkörperungen (Reinkarnationen) zur Läuterung erforderlich. Zur Hilfe bei dem Vergeistigungsprozeß der Menschheit seien „Impulse" geliefert worden: geistige Persönlichkeiten wie der Buddha, Zarathustra, Platon und auch Jesus Christus. Bei letzterem habe es ursprünglich zwei Jesusknaben gegeben: der eine als Reinkarnation Zarathustras, der andere als die des Buddha,- mit dem zwölften Lebensjahr sei jedoch die erstere Reinkarnation in der anderen aufgegangen, so daß der zwölfjährige Jesus nunmehr über die Geistesmächte beider Persönlichkeiten verfügen konnte; doch habe Jesus erst bei der Jordantaufe den Christusgeist erhalten. Die erwähnten „Impulse" sind jedoch nicht in erster Linie als ethische Anrufe zu verstehen,
sondern bedeuten eine stofflich-sakramentale Wirklichkeit.
So sei auch der „Impuls", der von Jesus ausgegangen ist, weniger in seiner Lehre zu suchen als in dem Umstand, daß auf Golgatha sein Blut die Erde benetzte. Doch ist eben Christus, wie z.B. auch die Kunst, nur ein »Impuls" im Zuge der kosmischen Evolution. Die „vier Kardinaltugenden" als "Hüter der Schwelle" sind Ausdruck einer Ethik, wobei jedoch Ethik ihre hauptsächliche Bedeutung hat im Ziele des "Hellsehens".
Wie so oft, ist auch bei der Anthroposophie zu fragen, wie eine solche Summierung von Eigenwilligkeiten (soweit nicht einfach altindische Vorstellungen übernommen wurden) einen solchen Einfluß auch auf Gebildete haben konnte und kann. Dabei werden Steiners Darlegungen (war er überhaupt "Hellseher" oder nur Phantast?) auch noch als "Wissenschaft" bezeichnet, obgleich alle Aussagen allein in dem Subjekt Steiners gründen, - ein Verfahren, das dem üblichen Begriff von Wissenschaft widerspricht. Kühnste Behauptungen werden ohne Begründung dargeboten. Somit fordert die Anthroposophie Glauben und tritt dadurch in den Bereich des Religiösen. Zugleich dürfte jedoch nach der Darlegung einsichtig sein, daß zwischen Anthroposophie und dem biblischchristlichen Glauben keine Brücke besteht. Verführerisch ist, daß die Bibel zitiert wird, doch nur nach Belieben und unter Verbiegung des Inhalts, - sie ist weder Quelle noch Norm, wie die Reformation es fordert, ja, für den "Hellseher" wird sie schließlich sogar überflüssig.
Und wird Jesus Christus erwähnt, geschieht es in irrlehrerischer Weise.
Mit der furchtbaren Wirklichkeit der Sünde als Trennung des Menschen von dem heiligen Gott will der Anthroposoph letztlich durch Selbsterlösung fertig werden (durch allmählichen Abbau des "Karma" im Laufe der verschiedenen Wiederverkörperungen — verständlicherweise völlig unchristlich). Dabei gibt es - wie wir bekennen müssen - doch keine Rettung vor der Verdammnis, wenn das Heil ausgeschlagen wird, das sich darstellt durch das Angebot der Sündenvergebung in persönlicher Glaubenshingabe an den Gottessohn und in der Gabe des neuen Lebens im Heiligen Geist. Wie kann sich jemand da der Anthroposophie verschreiben?!
Obgleich die Anthroposophie - wie wir sahen - innerlich religiöse Ansprüche erhebt, gilt sie doch formal nur als "Wissenschaft". Es ist darum nicht verwunderlich, wenn Anthroposophen schon bald die Neigung empfanden, ihre Lehre in größere Nähe zu dem christlich-kirchlichen Bereich zu bringen. Diesen Akt vollzog durch Ummantelung der Anthroposophie mit Sakramenten und sonstigem liturgischem Beiwerk der Pfarrer Friedrich Rittelmeyer (1872—1938) als wesentlicher Gründer der "Christengemeinschaft" .
Bereits in seinem Nürnberger Pfarramt, noch in Verbindung mit dem Pfarrer Geyer, war, wie aus literarischen Veröffentlichungen ersichtlich, Neigung zur Mystik für Rittelmeyer kennzeichnend. Ab 1916 Pfarrer in Berlin, ließ die Bekanntschaft mit Steiner in Rittelmeyer den Plan reifen der Gestaltung eines nach dem Geiste der Anthroposophie ausgerichteten Christentums. Vorbereitet durch Sonderkurse für die künftigen "Priester", von Steiner selbst veranstaltet, erfolgte 1922 die Gründung der "Christengemeinschaft" durch Rittelmeyer, deren "Erzoberlenker" er nach Verlassen des Pfarramtes wurde.
Den Schritt bezeichnete Rittelmeyer als "zweite Reformation". Das Christentum sei vom sakramentalen Kult abgefallen, indem es die Predigt in den Vordergrund rückte; Aufgabe sei nun die Rückführung zum Sakramentalismus. In Entsprechung zur katholischen Messe richtete Rittelmeyer die "Menschenweihehandlung" ein; dabei bewirke bereits der Genuß der dargebrachten Gaben die "Durchchristung" des Menschen ("wahrhaftiger Mensch"), der allerdings durch Sünde keineswegs verloren, vielmehr nur "krank" sei. Das Mysterium von Golgatha, doch nur stofflich-sakramental verstanden, umschließe die Überwindung der Sündenkrankheit. Es gibt sieben Sakramente. Die Bibel wird praktisch aufgelöst. Denn durch Steiners höhere Erkenntnis vollzieht sich zwar ein "Eindringen" in die Bibel; aber zugleich gilt, daß nur der Eigner „hellseherischer" Fähigkeiten die Bibel richtig verstehe und schließlich nicht mehr auf die Bibel angewiesen sei. Gemäß der eigenwilligen Lehre von Tod und Wiederverkörperung (vgl. die anthroposophische Lehre der Reinkarnation) hat das Altarsakrament auch auf Tote Einfluß. Die Engellehre läßt jeden Menschen seinen eigenen Engel haben; in der Leitung stehen sieben Erzengel.
Es braucht nicht betont zu werden, daß zu Steiners „Christusgeist" eine personenhafte glaubensmäßige Verbindung nicht möglich ist, wie der Christ sie kennt, zu seinem auferstandenen Erlöser und Herrn. Wie Rittelmeyer keine biblische Lehre von den letzten Dingen annimmt, gibt es auch keine Wiederkunft Christi.
Die "Christengemeinschaft" hat zahlreiche Priester und Priesterinnen. Da Kirchenaustritt nicht gefordert wird (dafür ein „Bekenntnisgebet"), soll die Einflußnahme anthroposophischen Geistes über den kultischen Weg der „Christengemeinschaft" erleichtert werden. Der Weg zu dieser Irrlehre ist jedoch nur dort möglich, wo auf die klare biblisch-reformatorische Lehre verzichtet wird. Die Unvereinbarkeit wurde besonders deutlich in den Lehrpunkten von der Sünde, von der Person und dem Leiden des Gottessohnes Jesus Christus, überhaupt vom Wesen Gottes und seines heiligen Wortes. Nicht Teilhabe an einen „kosmischen Geist" rettet uns vor dem ewigen Verderben, nur die persönliche Glaubensverbindung zu dem Auferstandenen als zu unserem Erlöser und Herrn, in Vergebung der Sünden und dem neuen Leben. „Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus" (1. Kor. 3, 11)